Wer dem öffentlichen Diskurs folgt, stellt ohne weiteres fest, dass unsere Debattenkultur sich momentan in einem Spektrum zwischen “Das wird man doch wohl noch sagen dürfen?!!!“ und “Ihr ***** dürft uns ja wohl nicht vorschreiben, wie wir euch zu nennen haben!!!!!!“ befindet. Wer eben jenes noch nicht bemerkt hat, muss entweder seine*ihre Privilegien checken oder gehört selbst zur benannten Fraktion.
Bestes Beispiel hierfür: Bundespräsident und Sarrazin-Verteidiger Gauck. Dieser kommentierte mal in einem Interview des Tagesspiegels: „Sarrazin hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik. Die politische Klasse kann aus dem Erfolg seines Buches lernen, dass ihre Sprache der politischen Korrektheit bei den Menschen das Gefühl weckt, dass die wirklichen Probleme verschleiert werden sollen“.
Ähm ja. Heißt im Klartext: Le Gauck ist der Meinung, dass wer sich an den Maßstäben antidiskriminierender Sprache orientiert, nicht offen über die Thematik [hier: Migration] sprechen kann, weil damit nur „euphemisiert“ [eine Tatsache beschönigt] werden soll, wir den Menschen also quasi etwas vorgauckeln wollen (zufälliger Wortwitz an dieser Stelle).
Müssen wir jetzt alle menschenfeindliche Bücher schreiben, weil es die einzige Form der offenen Diskussion ist? /o
Nein!
Hm, hat das jetzt konkret was mit dieser Political Correctness zu tun?
Jap.
Und was genau soll das überhaupt sein…?
Wagen wir einen kurzen Exkurs: Die Bewegung hin zu einer „politischen Korrektheit“ begann in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts im Rahmen von Antidiskriminierungsbestrebungen seitens der neuen Linken in den USA. Die Bewegung entstand damals an den Universitäten und wurde in der breiten US-Öffentlichkeit zwischen Mitte der 1980er und Anfang der 1990er Jahre medial bekannt.
Reflexion und Sprachkritik, das heißt, das Nachdenken über Sprache und über Sprachgebrauch, waren elementare Forderungen dieser studentischen Bewegung: Auch auf sprachlicher Ebene sollten Menschen nicht länger aufgrund ihres Geschlechtes, ihrer ethnischen, nationalen oder religiösen Zugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer sozialen Stellung oder ihres Gesundheitszustandes beleidigt und abgewertet werden.
Die linke Bewegung warf der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft andro- und eurozentrisch geprägte Wahrnehmungsmuster vor. Dieses Gesellschaftsbild sollte über den Weg der Sprache korrigiert werden. Deshalb wurde gefordert, dass anstelle alteingesessener, beleidigender Formulierungen die Eigenbezeichnungen treten sollten, die von den zu schützenden Gruppen selbst verwendet wurden.
In Hinblick auf den geschichtlichen Kontext lässt sich also zusammenfassen, dass Political Correctness einen antidiskriminierenden Sprachgebrauch bezeichnet, in dessen Fokus nicht länger der weiße Mann (an dieser lassen sich weitere vorgegebene Normbilder wie “gesund“ und “heterosexuell“ einfügen) steht, und in der die unerschiedlichen Bezeichnungen für Menschen, die dieser “Norm“ eben nicht entsprechen, von den jeweiligen Personen selbst angeben werden.
Klingt ja schön und gut. Aber warum wird die Begrifflichkeit denn so häufig als etwas Negatives verwendet?
Leider wurde der Begriff relativ schnell vom politischen Gegenüber, zum einen von der konservativen Ecke und des Weiteren vom rechten Lager (obwohl ja beides irgendwie miteinander verknüpft ist), aufgegriffen, um billigen Populismus zu betreiben. So wird Political Correctness heute sogar häufig als “Zensur“ und “Meinungsdiktatur“ verteufelt. Muss nicht weiter kommentiert werden. Same old story as usual.
Aber ist es nicht total cool, gelegentlich politisch unkorrekte Ausdrücke zu verwenden? Machen viele Rapper*innen doch auch!
Respekt ist cool. Barrierefreiheit ist cool. Inklusion ist cool. Einhörner sind cool. Politisch “unkorrekte“ Ausdrücke zu benutzen, ist nicht cool und wird es auch nie sein.
Und was ist, wenn ich…
Nein.
Aber…
Vergiss es.
Hm, also ist Political Correctness eigentlich unabdingbar, unausweichlich und superwichtig und Gauck hat einfach nur kompletten Unfug erzählt?
Du hast es sowas von erfasst.