Vor längerer Zeit führte ich eine nicht uninteressante und doch traurige Diskussion mit einem angehenden Polizisten. Er war nicht grundlegend unsympathisch (jedenfalls auf den ersten Blick), aber schrecklich uninformiert und unaufgeklärt, eingeschränkt in seiner Sichtweise, da er vorher nie Freund*innen of Color hatte, und letztlich in seiner eigenen Nussschale aus Ignoranz gefangen. Dennoch reizte es mich, sozusagen mit jemandem von der “bösen“ Seiten zu sprechen. Ich fragte ihn nach seiner Ausbildung aus, auch nach seiner persönlichen Einstellung zu Polizeigewalt und irgendwann- wie sollte es anders sein – kamen wir auf “Racial Profiling“ zu sprechen.
Racial Profiling – für diejenigen, denen der Begriff nichts sagt, ist eine Ermittlungsmethode, bei der die Kategorie “Race“ als das Entscheidungskriterium für polizeiliche Maßnahmen herangezogen wird. Um es jetzt weniger akademisch und euphemistisch auszudrücken: Racial Profiling ist nicht anderes als auf rassistischen Denkmustern basierendes Handeln von polizeilicher Seite aus (und stellt daher übrigens einen der Gründe dafür dar, dass Deutschland zum “Rassismus-TüV“ der Vereinten Nationen muss.)
Zurzeit wird Racial Profiling in Deutschland als Freischein dafür verwendet, willkürliche Ausweiskontrollen bei People of Color durchzuführen, People of Color willkürlich festzunehmen, People of Color willkürlich, vor allem an Großbahnhöfen, anzugehen und Angst einzujagen. Racial Profiling hat grundsätzlich viel mit Willkür zu tun. Und nicht nur das: Die Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund unveränderlicher äußerlicher Erscheinungsmerkmale verstößt klar gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG) und ist somit weder grund- noch menschenrechtlich haltbar.
Trotzdem kann die Polizei weiterhin ihre rassistischen Praktiken ausüben, § 22 Abs. 1 a des Bundespolizeigesetz ermächtigt die Bundespolizei noch immer zu “Vorfeldbefugnissen“ ohne in irgendeiner Weise an die Abwehr konkreter Gefahren anzuknüpfen, heißt also, dass die Polizei ihre Personenkontrollen jederzeit ohne einen wirklich stichhaltigen Verdacht durchführen kann.
Abgesehen davon, dass dies einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bedeutet, beweist unser Azubi-Beispiel zudem, weshalb und wie einfach § 22 Abs. 1 a missbraucht wird:
“Personen aufgrund ihrer Hautfarbe, ethnischen Zugehörigkeit oder Ähnliches pauschal zu verdächtigen menschenrechtswidrig“ (mein verzweifelter Versuch, das Gute im Menschen zu wecken ), seine Antwort folgte schnell, jetzt haltet euch fest: “Wenn wir die Information bekommen, dass sich in einem Zug ein illegaler Flüchtling ohne Papiere aufhält, dann können wir natürlich den gesamten Zug kontrollieren, wir können aber auch geradewegs auf den einzigen schwarzen Fahrgast zugehen, weil ja klar ist, dass die anderen im Zug, die deutschen Fahrgäste, sich ausweisen können.“
An der Stelle war die Diskussion beendet. Die Gegenüberstellung von “deutsch“ und “schwarz“ als könnten die Begriffe nicht zusammen fungieren, als hätte Deutschland keine tiefgehende afrodeutsche Geschichte, als würden nicht tausende von schwarzen Deutschen hier leben, die Annahme, dass eine schwarze Person niemals, unter keinen Umständen “deutsch“ sein könne, ist auf so vielen Ebenen und Art und Weisen falsch, dass ich vermutlich den Rest meines Lebens darüber referieren könnte.
Was uns nun klar sein sollte: § 22 Abs. 1 a des Bundespolizeigesetzes muss von den Gesetzgeber*innen gestrichen werden. Selektive Personenkontrollen, die auf Kriterien wie der Hautfarbe oder anderen physischen Merkmalen eines Menschen basieren, sind grund- und menschenrechtlich absolut verboten. Trotzdem handelt es sich hierbei um Symptombekämpfung. Institutioneller Rassismus beruht auf personalisiertem Rassismus. Personalisierter Rassimus basiert, wie alle anderen Rassismen auch, auf Stereotypen und Vorurteilen, auf Ignoranz und Desinformation, auf Menschenfeindlichkeit und Nationalismus. Unser Polizei-Azubi steht sinnbildlich für den personalisierten Rassismus in Polizeibehörden. Er steht sinnbildlich für das menschenverachtende Weltbild der deutschen Polizei und er steht somit sinnbildlich für etwas, das auch nach der Abschaffung eines Paragraphen weiterhin existieren wird.